Heraeus im Weltraum

Seit der Mondlandung helfen Materialien von Heraeus bei der Erforschung des Universums. Sie unterstützen Wissenschaftler, schwarze Löcher zu finden, eine Karte der Milchstraße zu zeichnen und sogar zu beweisen, wie die Erde wirklich tickt.

Gaia Rakete Quelle: NASA

Die blau-weiße Delta-II-Rakete donnert in den Morgenstunden des 20. April 2004 in den südkalifornischen Himmel. Nachdem die Delta II die Erdatmosphäre verlassen hat, setzt sie einen silbrig schimmernden Satelliten in der Stille des Alls ab. Sein Name: Gravity Probe B. Dieser Satellit beherbergt eine Wundermaschine, die nach einer Erfindung aus einem Science-Fiction-Blockbuster klingt. Einige der fähigsten Physiker der Welt haben jahrzehntelang an ihr gearbeitet – eine Erfindung, die die Relativitätstheorie von Albert Einstein beweisen soll.

Ein dicker Mann auf der Matratze

Die Maschine besteht aus einem schimmernden Block aus Heraeus Quarzglas, der mit einem Quarzglasteleskop verbunden ist und vier sogenannte Gyroskope enthält: tischtennisballgroße Kugeln, die sich bis zu 10.000 Mal pro Minute drehen und ebenfalls aus Quarzglas von Heraeus bestehen. Sie sind zum Zeitpunkt des Raketenstarts die rundesten Objekte, die je von Menschenhand geschaffen wurden. Die Idee der Wissenschaftler, die von der Erde aus den Satelliten steuern: Einsteins Theorie zufolge müsste die Masse der Erde die Raumzeit eindellen – wie ein dicker Mann im Schlaf seine Matratze einbeult. Und dieser Effekt wird, so die Hoffnung der Forscher, auch die rasende Rotation der tischtennisballgroßen Kugeln an Bord des Satelliten verändern. Lässt sich das tatsächlich nachweisen?

Ich seh den Sternenhimmel

Monatelang umfliegt der Satellit die Erde. Und tatsächlich: Die Daten, die Gravity Probe B zur Erde schickt, bestätigen Einsteins Theorie: Die Erde verändert die Raumzeit. Und Gravity Probe B? Wurde am 10. Dezember 2010 offiziell abgeschaltet. Der Satellit umkreist seitdem die Erde. Man kann ihn am Nachthimmel sehen, wo er 30 Jahre seine Bahn zieht – bevor er in der Atmosphäre in einem Feuerball verglühen wird.

Don Harley Quelle: Don Harley/NASA

Die Milchstraßenkarte

Und auch viel tiefer in der Dunkelheit des Alls ist Heraeus Technik im Einsatz. Und zwar 1.500.000 km von der Erde entfernt, an Bord des europäischen Satelliten Gaia. Gaia sieht in etwa aus wie ein silberfarbener Zylinderhut mit einem Durchmesser von 10 m, dessen Hightech-Inneres an der Erfüllung eines Traums vieler Astronomen arbeitet: einer 3-D-Karte der Milchstraße. Um so eine Karte zu erstellen, braucht es eine hochsensible Kamera. Mehrere ihrer optischen Bauteile, nämlich Linsen und Prismen, sind aus Quarzglas von Heraeus. Die 3-D-Karte wird zum geplanten Ende der Gaia-Mission im Juli 2019 unser Bild vom Nachthimmel und von den Tiefen des Alls verändern – 1.000.000.000 Sterne, Asteroiden und Planeten werden in ihr eingezeichnet sein.

Den Gravitationswellen auf der Spur

Heraeus wird auch in der Zukunft der Weltallerforschung eine Rolle spielen, und zwar beim zurzeit vielleicht ambitioniertesten Projekt der ESA: dem Gravitationswellendetektor LISA. Schnell umkreisende oder kollabierende Himmelskörper wie Sterne oder schwarze Löcher senden Gravitationswellen.Diese können minimal andere Massen bewegen. Die Entdeckung dieser Bewegung, und damit die Bestätigung der Existenz von Gravitationswellen, wurde 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Schon diese Detektoren VIRGO und LIGO, die erdbasiert sind, verwendeten hochreines Quarzglas von Heraeus.

Himmel Quelle: ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 IGO

Goldwürfel im Weltall

Nun sollen drei Satelliten im Jahr 2034 in der Tiefe des Alls positioniert werden, um dort Gravitationswellen aufzuspüren. An Bord der Satelliten werden sich von Heraeus hergestellte Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung befinden. Eine Gravitationswelle, die auf solch einen Würfel trifft, wird ihn minimal in seiner Form und Bewegung verändern. Dadurch können sich kosmische Wellen aufspüren lassen, die das gesamte Weltall wie eine Dünung durchlaufen. Diese Technik soll das Orten von schwarzen Löchern erleichtern. Zukunftsmusik? Nein. Denn bei einem Experiment stellte sich heraus, dass die Messgenauigkeit von LISA fünfmal präziser ist als erwartet. Die Zukunft – hat bereits begonnen.